Blogparade „Unnütz und unbezahlbar“ – sage mir woran Dein Herz hängt…

Eva Ihnenfeldt: Dörte Giebel hat im Blog minimamuse dazu aufgerufen uns zu fragen, was uns unbezahlbar wichtig ist – obwohl es völlig unnütz ist. Dann ein Foto davon machen und darüber bloggen. Ich versprach dabei mitzumachen (Die Blogparade läuft noch bis zum 20. Juli 2014) aber innerlich sträubte sich vieles. Ich bewahre nicht gern Erinnerungsstücke auf, Staubfänger sind mir ein Gräuel. Ich empfinde, dass Gegenstände aus der Vergangenheit mich locken wie ein Fliegenfänger die Fliegen – ist nicht das Ziel unseres Lebens, nach und nach alles um uns Loszulassen? Wünsche, Schmerzen, Erinnerungen, Anforderungen, Urteile? Und doch habe ich etwas gefunden was ich gern täglich anblicke. Es ist eine Fotografie, und sie hängt über meinem Bett.

Mein Papa und ich

Mein Papa ist für mich zum Vorbild geworden. In seinen letzten Lebensjahrzehnten haben wir uns gut kennenlernen können, und ich bin sehr stolz auf ihn. Mein Papa war sehr gläubig, die Grundlage seines Lebens waren die Bibel und die Ausrichtung, jeden Nächsten als genau so wertvoll zu fühlen wie sich selbst. Er hat zum Beispiel keine Scheu davor gehabt, sich neben den verwahrlosten Obdachlosen in unserer Stadt zu setzen und sich monatelang so lange geduldig um ihn zu kümmern bis dieser endlich bereit war, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen.

Ich weiß noch, wie mein Vater mal in Bochum Langendreer den Nikolaus spielte. Als Bischof stand er vor hunderten von Menschen oben auf einem Wagen. Er erzählte die wunderschöne Geschichte von einer geteilten Kriegsapfelsine zu Weihnachten – und es war so still in der Menge aus Kindern und Erwachsenen, dass man eine Stecknadel hätte fallen lassen hören.

Das Foto zeigt mich mit ihm bei einem Straßenfest einer Familie, die sich seit vielen Jahren um Diejenigen kümmerte, die nichts mehr hatten. Auch dieses Ehepaar war tief gläubig. Sie hatten vor Jahrzehnten angefangen, Sonntags ihren Mittagstisch für Fremde zu öffnen (10 Kinder hatten sie, und als Jugendliche hatten diese wohl mal „Rocker“ kennengelernt und mit nach Haus gebracht), und da es mehr und mehr wurden mussten sie in den Neunziger Jahren in drei Etappen stets für etwa 100 Menschen kochen.

Süchtige, Psychisch Verwirrte, Ex-Häftlinge, Punks, Wehrlose und Vagabunden fanden bei ihnen Einlass, köstliches Essen, Decken und Kleidung. Auf dem Foto hatten Kinder aus der Nachbarschaft ein christliches Stück eingeübt, das sie nun aufführten. Es war so wundervoll, denn fast alle Kinder kamen aus fremden Kulturen mit fremden Religionstraditionen – und ihre Eltern liebten das Stück!

Es war ein Wunder, dass irgendwie immer genug Geld da war für so viel Essen. Fast wie bei der wundersamen Brotvermehrung… Ich half dann Sonntags beim Spülen – man muss sich vorstellen: Geschirr mit drei Gängen von 100 Menschen in einer ganz normalen Küche mit zwei alten Spülmaschinen! Frau S. fing immer schon Donnerstags an zu kochen, und Herr S. erzählte mir mal (aber auch nur weil ich ihn ausquetschte), dass auch nachts noch häufig Menschen anklopfen, die für die Nacht keine Bleibe haben – natürlich bekamen sie Dusche, Bett, Essen und saubere Kleidung.

Ich werde nie den gestickten Spruch in der Küche des unglaublich lieben und toleranten Ehepaars vergessen: „5 sind geladen, 10 sind gekommen. Gieß Wasser zur Suppe, heiß alle willkommen“. Niemand wurde fortgeschickt, und ohne um Spenden zu bitten kam immer gerade genug ins Haus, um den Bedarf zu decken. Niemandem wurde eine Religion aufgedrängt. Und alle lauschten immer andächtig den kleinen Geschichten von Frau S., Geschichten die von Königskindern handeln, welche von ihrem Vater sehr geliebt werden. Der König, der auf sie wartet und den Tisch reich für sie gedeckt hat. Das verstanden diese Menschen gut – wahrscheinlich viel besser als alle, denen es „gut“ geht.

Mein Lebensziel ist es, diesem Ideal immer näher zu kommen, ohne Ansehen der Person und ohne Angst, ausgebeutet zu werden oder in andere Schwierigkeiten zu geraten. Ich möchte gern so viel Vertrauen haben, dass ich einfach lebe und tue, was mein Herz mir sagt. Ich möchte nicht käuflich sein und nicht erpressbar. Ich möchte keine Unterschiede machen zwischen Menschen die mir passen und Menschen die mich stören. Ich möchte irgendwann wie mein Papa sein, der keine Wünsche mehr hatte und vergnüglich und zufrieden sterben konnte – ohne Anhaftungen und Sorgen. Möge es mir gelingen!

Seit fast zwanzig Jahren auf der "freien Wildbahn" hat Eva Ihnenfeldt sowohl 2004 eine eingetragene Genossenschaft für Existenzgründer gegründet als auch 2011 eine Akademie für die Ausbildung von Social Media Unternehmenden. Lange Zeit war sie Dozentin und Trainerin für Marketing, Kommunikation und Social Media. Heute arbeitet sie als Coach für Menschen im beruflichen Wandel. Ihre Stärke ist es, IST-Situationen zu akzeptieren, Visionen zu erkennen und gemeinsam mit ihren Klienten Strategien zu entwickeln, die sich auch in der Praxis bewähren. Mobil: 0176 80528749 - E-Mail: [email protected]

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3 thoughts on “Blogparade „Unnütz und unbezahlbar“ – sage mir woran Dein Herz hängt…

  • Reply Manuela Seubert 18. Juli 2014 at 18:27

    Liebe Frau Ihnenfeldt,

    eine wunderschöne Geschichte mit Menschen, deren großes Herz beeindruckt.

    Besten Gruß aus Limburg
    Manuela Seubert

    • Reply Eva Ihnenfeldt 19. Juli 2014 at 11:39

      Hallo liebe Frau Seubert, danke schön! Ja, das kann man wohl sagen. und die Welt ist voll mit solchen Menschen – da bin ich ganz sicher

  • Reply Vom Wert der unnützen Dinge | Minima Muse 21. Juli 2014 at 12:25

    […] an den Vater und nochmals an den Vater, an die Mutter, den Bruder und überhaupt die ganze Familie. Sogar an den […]

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