Die inszenierte Authentizität: Vom Wesen der Wahrhaftigkeit

Was ist Authentizität?

Eine dumme Frage? Ich glaube nicht. Authentizität heißt ja in erster Linie dass etwas “als Original befunden” wird. Was von Wissenschaftszweig zu Wissenschaftszweig nun wiederum jeweils anders definiert wird. Im Alltag verstehen wir – und auch ich – weitestgehend eine Übereinstimmung des Handelns zwischen Sein und Schein darunter. Wenn jemand nicht so handelt, wie man sich denkt dass er handeln sollte – weil er in der Vergangenheit eine bestimmte Art und Weise gehandelt hat und plötzlich davon abweicht – dann ist das für uns unauthentisch. Marken handeln im besten Falle nach Grund- und Leitsätzen, die in der Vergangenheit gegolten haben. Gut, ab und an wechseln auch Marken ihr Image, aber da kommen wir schon zu einem Punkt, der wirklich nachdenkenswürdig ist: Ein Imagewechsel heißt zwar in der Regel ein Abschied von liebgewonnenen Gewohnheiten – aber das heißt ja nicht dass das neue Image nicht authentisch sein kann. Authentisch im Sinne von Handeln nach selbstgewählten Prinzipien in diesem Falle.
Kein Mensch beschwert sich im Alltag darüber, dass Automatismen ihm eine Menge aus der Hand nehmen: Knopf drücken – Garagentor geht auf. Wir können die Heizung automatisch auf bestimmte Temperaturen hoch- und runterfahren lassen. Jalousien gehen dann runter wenn die Sonne sich verabschiedet hat und die Zeitschaltuhr sorgt dann im Wohnzimmer rechtzeitig für das Einschalten der Tischlampe. Wenn SIO für sich definiert, dass es Automatismen sucht und braucht um sich auf das Wesentliche der Arbeit für einen selbst oder das Unternehmen konzentrieren zu können ist das also verwerflich? Wenn bestimmte Ereignisse schon feststehen und ich die einprogrammiere ist das also nicht authentisch? Schließlich formuliere ich einen Tweet ja nach einer gewissen Art und Weise und letztendlich schaut auch immer ein wenig Persönlichkeit heraus, selbst wenn man sich auf ein bestimmtes Wording geeinigt hat. (Deswegen verabschiede man sich auch vom objektiven Journalismus, das Unterbewußte sorgt schon dafür, dass Subjektivität mit reinfließt…) Das lässt sich auch mit Automatismen nicht unterdrücken. Außer man erstellt tatsächlich komplette autonome Maschinen, die für einen twittern und facebooken – Herr John Marcus Brown ist darin ungeschlagen. Aber ob ich dann die Ziele erreiche, die ich erreichen möchte ist eine andere Frage. Und selbst dann lässt sich fragen: Ist eine inszenierte Authentizität nicht auch authentisch? Warum nicht, wenn sie nach gewissen Regeln und Grundsätzen agiert kann sie durchaus das sein. Das läuft dann auf die Frage hinaus ob ein Roboter authentisch ist… Und ich selbst? Bin ich immer authentisch? Zu jeder Zeit des Tages? Hmm: Wer bin ich eigentlich und wenn ja, wieviele?

Inszenierte Authentizität

Ich vermute dass hier einfach etwas verwechselt wird: Wahrhaftiges Handeln ist nicht unbedingt gleich mit Authenzität und umgekehrt. Es kann übereinstimmen – wenn man seinen Traumjob hat zum Beispiel und Feuer und Flamme für etwas ist. Selbst dann aber wird man bei der Firma, bei der man arbeitet nicht genau so wahrhaftig reagieren wie wenn man allein zu Hause ist oder die Freundin auf der Couch hat. Wer Social Media nur für sich privat oder persönlich – da gibts ja einen Unterschied – nutzt, handelt der authentisch? Wahrhaftig sicherlich nicht, sonst wäre jeder Mensch mit Klarnamen bei Facebook vertreten und würde seine Beziehungen komplett offen legen und ständig in seinem Profil private Bemerkungen reinschreiben. Nicht, dass das nicht auch vorkommt, in der Regel aber überlegen wir uns schon was wir wo veröffentlichen. Wir sagen unseren Kindern ja schon: “Nein, Partyfotos vom Wochenende nicht bei Facebook. Nein, du schreibst jetzt nicht wo du in Urlaub bist und wie lange.” – Ist das wahrhaftig? Es ist zumindest erstmal nicht gelogen, ich unterdrücke nur eine gewisse Information, die ich für mich wichtig erachte aber die nicht unbedingt alle wissen sollten. Insofern: Nein, aber wenn ich innerhalb von vorgeschriebenen Regeln handle ist das durchaus authentisch. So wie Lady Gaga auch authentisch ist, wenngleich ich glaube dass wir von ihrer wahren Persönlichkeit nichts wissen – aber das wußten wir bei Madonna schon längst nicht mehr und bei David Bowie zweifle ich auch. Diese drei inszenieren Authentizität. Offenbar ist allerdings das, was wir im normalen Leben tun – wenn dem nicht so wäre, würden wir kaum uns in Anzüge für festliche Gelgenheiten zwängen oder versuchen die Pickel noch mit Make-up zu decken – bei Social Media noch nicht mal im Entferntesten denkbar. Dabei tun wir es schon, wir sind uns dessen nur nicht so bewußt.

Wenn ich für Kepia arbeite tue ich das natürlich auch, weil ich von der Sache überzeugt bin. Klingt platt – ist aber so. Ich hätte ja auch ablehnen können. Kepia ist authentisch – die Art und Weise wie die Blogeinträge geschrieben werden könnte ich so zum Beispiel nicht tun, ebensowenig die Art und Weise wie sie Facebook benutzen. Die persönliche Ansprache kann ich bei einem SIO-Projekt auch nicht leisten – wenn Fragen kommen, muss ich ausdrücklich an Kepia verweisen. Ich kann sie aber dahingehend unterstützen, dass ihre Botschaft wahrgenommen wird und dass die Angebote ein breiteres Publikum erreichen. SIO ist ein Maßnahmenkatalog – erstmal nicht mehr und nicht weniger. Eine Maßnahme besteht nun darin Automatismen zu nutzen damit ich mich auf die wesentlichen Punkte meiner Arbeit konzentrieren kann. Das kann man unauthentisch nennen, aber letzten Endes steht ja immer noch eine Person hinter dem Ganzen. Bestenfalls der Unternehmer selbst, anderenfalls halt die Mitarbeiter.

In Übereinstimmung mit den Regeln der Unternehmung

Wenn jetzt also ein Mitarbeiter in einem Unternehmen in Übereinstimmung mit den Zielen der Unternehmung handelt – ist das nun authentisch? Wenn ein Außenstehender Automatismen nutzt um Ziele bei Social Media voranzubringen – ist das nun authentisch? Solange es mit den Regeln der Unternehmung übereinstimmt? Ja? Nein? Vielleicht? Schwierig? Wenn die Balance zwischen Automatismen und persönlichen Kümmerns gewährt ist? Wenn letzten Endes die persönliche Ansprache doch wieder beim Unternehmen selbst landet?
Es gibt so etwas wie eine inszenierte Authentizität. Wir erleben diese täglich um uns herum: Vom ersten Kaffe des Tages bei Starbucks über den Mittagshappen beim Italiener der Wahl – wobei Luigi eigentlich Roman heißt und aus dem Ostblock kommt – bis zum Einschalten des Dschungelcamps – schlechtes Beispiel? Gerade nicht, denn das Dschungelcamp ist genau das: Es ist inszeniert, wir wissen das, wir wissen die Leute die im Camp sind werden sich vielleicht nicht so wie im wirklichen Leben benehmen und letzten Endes spielen die uns vermutlich eh was vor. Aber wir sind geneigt, dieser Inszenierung dennoch als authentisch zu begegnen.

Ich kanns verstehen: Hinter dem Vorwurf des Nicht-Authentisch-Seins steckt im Grunde die Angst manipuliert zu werden. Damit man gewisse Dinge tut, damit man Sachen kauft, damit man dem Marketing auf den Leim geht. Manipulation. So wie der Mythos der sublimalen Nachrichten – wobei es heutzutage schon ausgeklüfteltere Methoden gibt oder glauben Sie wirklich, das neue Auto duftet von selbst so und die Türen klappen mit dem satten Geräusch zu weil das von Natur aus so ist? Nein, natürlich nicht. Andererseits: Wer sagt denn, dass jemand der authentisch handelt mich nun nicht manipuliert?
SIO ist ein Werkzeugkasten mit diversen Methoden und Vorgehensweisen. Ob diese Methoden nun authentisch angewendet werden oder nicht hängt von demjenigen ab, der sie verwendet.

3 thoughts on “Die inszenierte Authentizität: Vom Wesen der Wahrhaftigkeit

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